Projekt bringt erneuerbare Energie nach Belarus
Photovoltaikanlage konnte größer realisiert werden als gedacht
Die Anlage steht und erzeugt erneuerbare Energie für ein belarussisches Gymnasium. Die Rede ist von einer großzügigen Photovoltaikanlage, das Ergebnis einer Zusammenarbeit der beiden Partnerstädte Kostjukovitschi und Dietzenbach.
Die Anlage ist seit 10. August 2020 am Netz. Allein2021 wurden bisher 30.000 kWh Strom erzeugt. Der Baudezernent Moksatschew aus Kostjukovitschi erklärt: „Damit einher geht eine Stromkostenersparnis in Höhe von umgerechnet 3.200 Euro. Der Dietzenbacher Stadtverordnete und Projektkoordinator Dietmar Kolmer ergänzt: „Das Geld wird in Bildungsprojekte investiert“.
Am 20. Oktober 2021 fand der offizielle Abschluss des mit Bundesmitteln geförderten Projektes statt. Pandemiebedingt nicht wie vorgesehen vor Ort in Weißrussland, sondern per Video-Konferenz. Beide Seiten bedauerten, dass durch Corona dieser Projektpunkt nicht so umgesetzt werden konnte, wie geplant. Dass das Projekt trotz Herausforderungen abgeschlossen werden konnte, dies sogar mit einer größeren Anlage als ursprünglich geplant, erfreut die Verantwortlichen beider Partnerstädte. In dem fachlichen Abschlussgespräch wurde zu sämtlichen Inhalten wie Technik, Ausschreibungsverfahren, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit und Bildungsimplementierung ein Resümee gezogen.
Stromerzeugung per App aus Dietzenbach analysiert
Da das Projekt als Nachhaltigkeits- und Bildungsprojekt seitens der weißrussischen Regierung eingestuft wurde, konnten etwa 20 Prozent Abgeltungssteuer und zusätzlich 18 Prozent an Mehrwertsteuer eingespart werden. „Das hätten wir nicht erwartet. Wir konnten bei gleichen Ausgaben eine etwa ein Fünftel größere und leistungsfähigere Photovoltaikanlage realisieren“, erklärt Michael Würz, Technischer Leiter der Städtischen Betriebe. Er hat das Projekt technisch begleitet, die Ausschreibungsunterlagen mit erarbeitet und letztendlich kann er dank Handy-App die Stromerzeugung von Dietzenbach aus analysieren. „Die erste Submission musste verworfen werden, da das Unternehmen nicht die notwendigen Unterlagen vorlegen konnte. Das zweite Ausschreibungsverfahren war erfolgreich und das Unternehmen ein Glücksgriff. Bei der Anlage wurden TÜV-zertifizierte Teile nach höchstem Standard verbaut“, erklärt Würz. „Dies war ein überraschendes Highlight“, ergänzt Kolmer.
Bei der Öffentlichkeitsarbeit wurde in der Region rund um Kostjukovitschi viel auf die Beine gestellt, um den vielseitigen Nachhaltigkeitsaspekt regenerativer Energiegewinnung zu vermitteln. Über 3.000 Personen konnten bislang direkt erreicht werden. Dies mit Informationsveranstaltungen, Presseartikeln und Flyern auf der einen Seite und, dies ist besonders beachtlich, durch die Änderung des Stundenplans auf der anderen Seite. Die Leiterin des Gymnasiums, Frau Antania Maksimava, erklärt: „Wir haben festgestellt, dass das Thema fachübergreifend betrachtet werden kann, sodass wir bei der Wissensvermittlung das Projekt hervorragend in den Informatik-, Physik- oder Sozialkundeunterricht implementieren können.“ In acht Videokonferenzen wurden Lehrkräfte geschult. Die Photovoltaikanlage sei nun ein Bestandteil des Bildungsprogrammes mit einer eigens eingerichteten Software mit individuellem Zugang für jede Schule.
Der Besuch der weißrussischen Jugendbotschafterin für nachhaltige Energie, Vitalina Petrusevich, konnte pandemiebeding leider nicht stattfinden. Die in Kostjukovitschi aufgewachsene junge Frau sollte in Dietzenbacher die beiden weiterführenden Schulen über ökologisches Handeln am Beispiel der Solaranlage referieren. Hierfür wurden gemeinsame Materialien in Deutsch und Russisch vorbereitet. Eine alternative Videokonferenz mit Teilnehmenden aus je zwei Schulen der beiden Kommunen konnte nicht die pädagogische Wirkung in dem Rahmen erzielen, wie geplant. Dennoch möchten die Teilnehmenden sich später in einer weiteren Videokonferenz näher kennenlernen.
"Durchhaltevermögen und Leidenschaft für das gemeinsame Ziel"
Bürgermeister Jürgen Rogg zeigt sich vom Projektabschluss und der Vielschichtigkeit zufrieden: „In einer unruhigen Zeit, die kaum hätte schwieriger für solch ein Projekt sein können, haben beide Seiten Durchhaltevermögen und Leidenschaft für das gemeinsame Ziel gezeigt.“ Mit diesem interkommunalen Zukunftsprojekt habe man grenzüberschreitend wichtige Impulse für Nachhaltigkeit und ökologisches Wirtschaften gesetzt. Svetlana Smolikova kündigt an, dass es bereits aktuelle Planungen gibt, die Straßenbeleuchtung der belarussischen Partnerstadt auch auf Solarbetrieb umzustellen. Rogg sieht darin eine Bestätigung, dass es nicht nur bei einer Anlage bleibt und hofft auf einen Domino-Effekt.
Auch die neue Bürgermeisterin, Alexandra Micheenko, würdigt die hervorragende Zusammenarbeit: „Seit September 2021 bin ich die Leiterin des Bezirks Kostjukovitschi. Es ist schön, dass sich zwischen unseren Regionen herzliche, freundschaftliche Beziehungen entwickelt haben. Ich bedanke mich bei Ihnen, Herr Rogg, für die langjährige Zusammenarbeit und bei Herrn Kolmer, dem Projektleiter, für den Bau der Photovoltaikanlage, die ja nun fertiggestellt ist. Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit und Freundschaft zwischen unseren Städten fortgesetzt wird und zukünftige, gemeinsamen Projekte positive Ergebnisse bringen werden.“
Zwei Jahre Arbeit zahlen sich aus
Die ersten Gespräche über ein gemeinsames Projekt der beiden Städte begannen bereits 2018. Nachdem man sich entschlossen hatte, zusammen eine 50kWp Solaranlage zu errichten, wurden die Gespräche darüber ab März 2019 intensiviert. Die jeweiligen Bürgermeister der weißrussischen Stadt Kostjukovitschi und der Kreisstadt Dietzenbach hatten Anfang des Jahres einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet, der den Bau einer Photovoltaikanlage auf dem Dach des Kreisgymnasiums der weißrussischen Partnerstadt beinhaltet.
Eine dezentrale, ökologisch nachhaltige Energieversorgung ist das erklärte Ziel, welches jetzt erreicht wurde. Insgesamt umfasst das Projekt etwa 78.000 Euro und wird aus Fördermitteln und Spenden finanziert und verfolgt Veränderungen auf unterschiedlichen Ebenen.
Projekt auf fünf Säulen
Finanziell ermöglicht wird die internationale Zusammenarbeit durch Fördermittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Gemeinsam mit der Kreisstadt Dietzenbach, vertreten durch Bürgermeister Jürgen Rogg, reichte der Stadtverordnete Dietmar Kolmer bei der zuständigen Stelle, der Engagement Global gGmbH, mit Ihrer Servicestelle „Kommunen in der einen Welt“ einen entsprechenden Projektantrag ein, der auch bewilligt wurde.
Das Projekt stand auf fünf Säulen. Die erste ist die transnationale, kommunale Zusammenarbeit. Die zweite Säule beinhaltet eine breit angelegte Beteiligung und Aufklärung der Bevölkerung. Die dritte Ebene bezieht sich auf den Bau der Anlage, die mit der Vierten, dem Klimaschutz und der CO2 Reduzierung, einhergeht. Als fünfte Säule steht die Änderung im Curriculum der Klassen 5 bis 11 auf der Agenda. In 68 Schulstunden werden die Schüler*innen sich zukünftig in Physik, Chemie und Geografie mit Umweltfragen, Technologien und alternativen Energiequellen befassen.
Wie in Deutschland auch, bei Aufträgen in dieser Höhe, wurde in Kostjukovitschi die Anlage und der Bau ausgeschrieben. Mit dabei waren auch zwei Vertreter aus Dietzenbach. Neben Dietmar Kolmer reiste auch Michael Würz nach Weißrussland, um nach den gemeinsam erarbeiteten umfangreichen Ausschreibungsunterlagen über die Grenzen und Sprachen hinweg, an der Submission teilzunehmen. Die Expertise der Städtischen Betriebe war in vielen Bereichen der Ausarbeitung sehr hilfreich und zielführend. Schließlich waren es auch die beiden Dietzenbacher, die bei der Abnahme vor Ort waren und sich sichtlich zufrieden vom Ergebnis überzeugten.
Städteverbindung seit über dreißig Jahren
Die Verbindung der Städte Kostjukovitschi und Dietzenbach gehen über dreißig Jahre zurück. Nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl im Jahr 1989 starteten Dietzenbacher Bürgerinnen und Bürger erste Hilfsangebote für die weißrussische Stadt. Das Soziale, die Völkerverständigung, die Unterstützung in den Bildungseinrichtungen und der gegenseitige Besuch stehen schon immer im Vordergrund. Hauptsächlich auch die Besuche der Kinder in Deutschland in den Sommerferien. Den Freundeskreis Kostjukovitschi e.V. gibt es schon seit 1997. Seit 2010 gibt es eine offizielle Städtepartnerstadt, die auch mit Besuchen von Verwaltungsmitarbeitenden belebt wird. Das nun abgeschlossene Projekt stellt den Höhepunkt der gegenseitigen Aktivitäten aus Verwaltungssicht und interkommunaler Zusammenarbeit zwischen den Städten dar.