Ukrainische Geflüchtete in Dietzenbach
Knapp 150 Menschen haben sich in der Kreisstadt angemeldet
24. März 2022: Seit einem Monat ist in Europa Krieg. Der Angriffskrieg der russischen Regierung gegen die Ukraine hat Millionen Menschen zur Flucht gezwungen. Viele Tausend Frauen, Kinder und Männer suchen Schutz, auch in Deutschland, Hessen, dem Kreis Offenbach und in Dietzenbach.
Nach Angaben des Bürgerservice haben sich etwa 140 Menschen im letzten Monat aus der Ukraine im Dietzenbacher Rathaus angemeldet. Viele von ihnen sind direkt bei Bekannten und Privatpersonen untergekommen, ohne eine staatliche Zuweisung seitens des Kreises oder der Unterstützung durch die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe Dietzenbach (FHD). Erster Stadtrat René Bacher erklärt: „Dies macht ca. die Hälfte der angekommenen, meist ukrainischen Frauen mit ihren Kindern aus. Die andere Hälfte sind etwa gleichwertig auf den Schultern der FHD und der städtischen Flüchtlingsarbeit verteilt.“ Demnach seien ca. drei Viertel der Menschen Privat untergekommen und ein Viertel in einer städtischen Unterkunft. „Die Quote wird sich mit steigenden Zahlen jedoch ändern“, ist sich Bacher sicher.
„Wir rechnen aktuell mit weiteren Zuweisungen aus den Hessischen Erstaufnahmeeinrichtungen (HEAE) von etwa 350 Menschen aus der Ukraine“, prognostiziert Bürgermeister Dr. Lang. „Zusammen mit den bereits vorhandenen Asylsuchenden sind es in Summe dann um die 500 Menschen in der Kreisstadt, allerdings ist die Dynamik der Flucht unkalkulierbar und wir haben es wöchentlich mit neuen Informationslagen zu tun. Ich schätze es daher sehr, dass sich alle Kommunen im Kreis Offenbach wöchentlich in gemeinsamen Besprechungen mit dem Landrat und den Kreisbeigeordneten abstimmen, denn nur gemeinsam wird es gelingen diese Herausforderung zu meistern“, so der Rathauschef.
In Dietzenbach gibt es insgesamt drei größere Gemeinschaftsunterkünfte (GU). Eine davon ist dem Kreis Offenbach, zwei sind in städtischer Regie. Im Vorzeigeobjekt in der Justus-von-Liebig Straße, dem sogenannten Haus der Integration, wurde bereits damals langfristig gedacht. Hier sind Wohnräume, Büroräume für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter aber auch Gemeinschaftsräume und ein Familienzimmer kompakt unter einem Dach. Das Haus der kurzen Wege wird mit dem besonderen Fokus für die Frauen mit ihren Kindern verändert. Konkret wird eine komplette Etage für Menschen aus der Ukraine vorbereitet.
Der Wunsch nach Vernetzung der Kriegsgeflüchteten ist groß. Daher sind auch Orte der stundenweisen Begegnung vorgesehen, wo Kinder spielen, Mütter sich ausruhen und austauschen oder dank WLAN mit ihren zurückgebliebenen Vätern, Männern und Söhnen videotelefonieren können. Das Dietzenbacher Capitol wird dahingehend geprüft. Auch die städtische Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit bereitet sich speziell auf Jungen und Mädchen aus der Ukraine vor. Im Rathaus konnte eine Frau aus der Ukraine im Fachbereich Soziale Dienste eingestellt werden, die sprachlich als auch pädagogisch eine große Bereicherung für das Team ist. Alle Akteure wie die Pro Arbeit, die AWO, die Stadtverwaltung und die Flüchtlingshilfe sind sich darüber im Klaren, dass die Geflüchteten teils mit schweren Kriegstraumata ankommen. Daher wird ein Netzwerk aus Psychologen und speziell geschulten Fachkräften aufgebaut.
Öffentliche Infrastruktur wie z.B. Sporthallen nur im äußersten Notfall
Neben dem Haus der Integration gibt es die GU in der Lise-Meitner-Straße. Dort sind die Kapazitäten weitgehend erschöpft. Hier werden die Restkapazitäten für Geflüchtete aus anderen Krisengebieten freigehalten. Hotelräume, Gewerberäume und private Wohnungen – alles wird zur Nutzung geprüft und vorbereitet, um der großen Zahl ukrainischer Asylsuchender eine Unterkunft bieten zu können.
Die Hilfsbereitschaft ist ungebrochen groß. Viele Wohnungsangebote erreichen die FHD und die Stadtverwaltung. Um diese zu kanalisieren, hat die Kreisstadt seit Anfang März eigens ein Online-Formular für Wohnraumangebote erstellt. Dort können Menschen, die Räume anbieten wollen, einfach die wichtigsten Punkte eintragen und sich direkt über die Seite www.dietzenbach.de/ukraine-hilfe an die richtigen Ansprechpartner wenden. Weil damit auch viele Fragen einhergehen, hat der Kreis Offenbach eine Vielzahl an häufig gestellte Fragen auf ihrer Seite www.kreis-offenbach.de/ukraine beantwortet. Der Kreis Offenbach ist auch der richtige Ansprechpartner, wenn beispielsweise Krankenscheine zur ärztlichen Behandlung gebraucht werden oder um finanzielle Hilfen zu bekommen.
Wenn viele Menschen durch hohe Zuweisungszahlen binnen weniger Stunden untergebracht werden müssen, so muss die Stadtverwaltung darauf vorbereitet sein. Daher ist es klug, auch Optionen in Betracht zu ziehen und Pläne bereitzuhalten für Hallen und Großraumlösungen, heißt es aus dem Rathaus. Beide Dezernenten sind sich jedoch dahin gehend einig, dass auf die Optionen der öffentlichen Infrastruktur, wie Turnhallen, nur im äußersten Notfall zurückgegriffen werden. „Wir haben mit den jeweiligen Hauptnutzern schon Gespräche geführt. Sie haben uns ihre unkomplizierte und solidarische Hilfe für den Bedarfsfall angeboten“, sagt Bacher.
Ferienangebot für geflüchtete Kinder
Die Nutzung von Sporthallen ist nach aktuellem Stand für die nächsten sechs bis acht Wochen noch nicht vorgesehen. Ganz im Gegenteil. Denn neben der reinen Unterbringung der Frauen und Kinder, sind ein bisschen Normalität und Ablenkung von den dramatischen Ereignissen wichtig. „Hierfür eignen sich Sport, Bewegung und Vereinsaktivitäten sprachübergreifend hervorragend, auch das städtische Boxprojekt ist schon informiert und bereitet sich auf junge Menschen vor, die nun mit viel Angst und Verunsicherung kommen“, erklärt der Erste Stadtrat.
Das Sport verbindet, das wissen auch Ralf Schmidt und Afaf Mengler. Die beiden Sportcoaches haben für die anstehenden Osterferien ein abwechslungsreiches und attraktives Programm für geflüchtete Kinder und Kinder mit Migrationshintergrund zwischen sieben und 17 Jahren erstellt. In der Zeit vom 11. bis 14. April und nach den Osterfeiertagen wieder am 19. und 20. April stehen verschiedene Stationen an, wie Besuche auf dem Reiterhof Akita oder im Zirkus Chicana. Auch das Boxprojekt und die Abteilung Jugendhilfe & Soziale Arbeit, Gemeinwesenarbeit Süd-Ost bieten Freizeitaktivitäten an.
Vom 21. bis 24. April gibt es dank des FC Dietzenbach zusätzlich ein Fußball-Camp für Mädchen und junge Frauen zwischen fünf und 17 Jahren. Für Verpflegung ist jeweils gesorgt. Anmeldungen von Geflüchteten nimmt Ralf Schmidt unter der E-Mail-Adresse rph.schmidt@gmail.com entgegen.
Bei den Sportcoaches handelt es sich um ein Förderangebot des Hessischen Ministeriums des Inneren und für Sport, das in Zusammenarbeit mit der Sportjugend Hessen im Landessportbund Hessen durchgeführt wird.
„Allein dieser Einblick in die Ferienbetreuung zeigt, wie groß die Unterstützung in der Stadt ist“, freut sich der Bürgermeister. René Bacher ergänzt, dass auch der „Aktivspielplatz Wilde Wiese“ (Am Stiergraben) offene Türen für Geflüchtete hat: „Erste Mütter mit Kindern haben dort bereits die Sonne und Natur genossen.“