"Die Zwanziger Jahre - Das Jahrzehnt der Frauen?"
Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte Kuse zum Weltfrauentag
Es sollte eigentlich ein Jahrzehnt der Gleichberechtigung werden, Frauen und Männer sollten sich Elternzeit, Sorgearbeit und Haushalt gerecht teilen, beide sollten bei gleicher Arbeit gleich viel verdienen, Frauen sollten in Spitzenpositionen Politik und Wirtschaft mindestens gleichstark vertreten sein, und Kinder sollten nicht mehr ein Armutsrisiko darstellen, insbesondere nicht für Alleinerziehende. Frauen sollten insbesondere im Alter kein erhöhtes Armutsrisiko haben. Belästigungen und Gewalthandlungen gegen Mädchen und Frauen sollten mit den Maßnahmen der Istanbul-Konvention entgegengetreten werden.
Aber dann kam die Pandemie und damit die Zunahme von Häuslicher Gewalt, Jobverlust, Zusatzbelastungen in Haushalt und Familie.
Die Frauen die zu mir in die Beratung kommen, die sind so fundamental erschöpft und ausgelaugt, wie ich das bisher noch nicht erlebt habe", das sagt Bettina Kuse, die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte der Kreisstadt Dietzenbach. In vielen Familien war es ganz selbstverständlich, dass mehr Mütter als Väter die Sorgearbeit in den Familien übernommen haben, wenn mal wieder die Kita oder Schule geschlossen war. Eine junge Mutter sagte, sie litte unter einer „radikalen Pausenlosigkeit“, sie wäre in Teilzeit beschäftigt und mit zwei kleinen Kindern mehr als 16 Stunden ständig verfügbar, und das ohne eine nennenswerte Pause. So wäre ihr Leben bereits vor der Pandemie gewesen, aber nun mit Corona müsste sie in ihrer 16 Stunden-Schicht alles gleichzeitig machen, Videokonferenzen, Beaufsichtigung der Kinder, Arzttermine und Geburtstagsgeschenke organisieren, Einkaufen und Mittagessen kochen, das sei auf Dauer einfach nicht zu schaffen. Die Erwartungen an Mütter sei von allen Seiten hoch, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass sie ihre eigenen persönlichen und ökonomischen Interessen zu Gunsten ihrer Kinder zurück steckten, und sie bekämen aber von der Gesellschaft nichts zurück.
Warum trifft die Corona-Krise Frauen besonders hart?
Krisen verstärken alle existierenden Ungleichheiten. Dies trifft auch auf die durch COVID-19 ausgelöste Krise zu. Frauen und Mädchen zählen in allen Gesellschaften zu benachteiligten Gruppen und sind aus diesem Grund von der Pandemie und ihren Folgen besonders hart betroffen. Dies führt zu unmittelbaren gesundheitlichen, wie auch zu längerfristigen ökonomischen Folgen. Zudem sind Krisenzeiten für Frauen besonders gefährlich, da sie schlechter vor häuslicher und sexualisierter Gewalt geschützt sind.
Studien zeigen, dass die Care-Arbeit – die Fürsorgearbeiten rund um Kinder und Haushaltsarbeit – mehrheitlich von Frauen und vor allem von Müttern gemacht werden. In der Coronakrise hat das nochmal zugenommen. Aktuell sagen Studien, dass Mütter acht Stunden pro Tag unbezahlte Fürsorgearbeiten leisten, während das Väter viereinhalb Stunden machen. Die Väter haben ein wenig aufgeholt. Aber wenn wir uns die Relationen ansehen, dann ist da doch noch immer eine Schieflage, die eine echte Gleichberechtigung verhindert.
Viele Frauen sind durch die zusätzliche Aufgabenlast unbezahlter Arbeit nicht mehr in der Lage, in vollem Umfang ihrer bezahlten Arbeit nachzugehen, was unmittelbar und langfristig erhebliche ökonomische Konsequenzen hat und haben wird.
Auch die ersten Entlassungswellen im Zuge der COVID-19 Pandemie betrafen vor allem Sektoren, in denen Frauen überrepräsentiert sind wie Einzelhandel, Gastgewerbe und Tourismus. Nach Pandemien und Krisen brauchen Frauen meist erheblich länger, um in Erwerbstätigkeit zurückzufinden, als Männer. Dies zeichnet sich auch in der Corona-Pandemie ab.
Es wird erneut sichtbar, dass die Anpassung an soziale Krisensituationen im Großen und im Kleinen mehrheitlich von Frauen getragen wird, ohne dass ein sozialer Ausgleich für diese Leistung stattfindet. Für eine gerechte Verteilung der Sorgearbeit könnten rechtliche Regelungen, die Vereinbarkeit für Frauen ermöglichen und Anreize für Männer setzen, mehr Sorge- und Pflegeverantwortung zu übernehmen. Dazu gehört ein Rechtsanspruch auf Homeoffice und Arbeitszeitsouveränität.
Gender Pay Gap: Frauen verdienen weniger
Frauen gehen wählen, sie können straffrei abtreiben, ein eigenes Bankkonto eröffnen und einen selbstgewählten Beruf ergreifen: Viele Errungenschaften aus dem Kampf der letzten 100 Jahre für die Gleichberechtigung sind heute selbstverständlich. Doch das Ziel der vollkommenen Gleichberechtigung liegt nach wie vor in weiter Ferne. Ein Grund dafür: Frauen verdienen in Deutschland immer noch deutlich weniger als Männer. Der Gender Pay Gap beschreibt den Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen. In den letzten Jahren ist die Lücke sogar noch weiter gestiegen, wie jüngste Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Demnach verdienten Männer zuletzt im Schnitt 1192 Euro mehr Bruttogehalt im Monat als Frauen. Die Differenz ist damit innerhalb von vier Jahren um vier Euro gewachsen.
Der Deutsche Juristinnenbund e.V. hat bereits mehrfach Forderungen zur Durchsetzung des Anspruches auf gleiches Entgelt für Männer und Frauen formuliert, darunter die Verpflichtung der Unternehmen, ihre Entgeltstrukturen und Entgeltpraxis auf Diskriminierungen hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu ändern.
Equal Pay Day
Frauen verdienen in Deutschland im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer, das hat das Statistische Bundesamt für das Jahr 2020 berechnet. Rechnet man den Wert von 18 Prozent in Tage um, arbeiten Frauen vom 1. Januar an 66 Tage umsonst. Der aktuelle Equal Pay Day findet deshalb am 7. März 2022 statt.
Beratungsangebot im Rathaus
Das Frauen- und Gleichstellungsbüro im Rathaus bietet telefonische Sprechstunden an - für Frauen in allen Lebenslagen oder mit Gleichstellungsanliegen in Einzelfällen: Mo, Di, Do von 9:00 bis 13:00 Uhr und Di von 14:00 bis 16:00 Uhr, Tel: 06074 373-240. Diese Gespräche sind vertraulich und können auf Wunsch anonym erfolgen.