Geschichtspfad
Vergangenheit hautnah erleben
Der ”Geschichtspfad Dietzenbach” auf der Regionalparkroute Rhein-Main.
Der Dietzenbacher ”Geschichtspfad”, wie er von dem Frankfurter Landschaftsarchitekten Wilfried Baumgartner konzipiert und gestaltet wurde, stellt eine Besonderheit im Regionalpark RheinMain dar.
Erleben Sie auf der parkartig gestalteten Zeitachse die wichtigsten und gravierendsten Ereignisse aus der Geschichte des Ortes. An den einzelnen Stationen helfen Ihnen Informationstafeln mit kurzen Texten, mehr über die damalige Zeit zu erfahren und in die bewegte Vergangenheit unserer Kreisstadt einzutauchen.
Hören Sie genau hin
Wenn Sie die Informationen lieber vorgelesen haben möchten oder mehr aus den einzelnen Zeitepochen erfahren wollen, dann ist unser Audioguide das Richtige für Sie. An allen Stationen befinden sich QR-Codes, die Sie mit Ihrem Smartphone abfotografieren können.
Während Sie dann den Worten unserer Sprecherin lauschen, lassen Sie die Installationen entspannt auf sich wirken.
Die Stationen im Detail
Was hat hier ein steinernes Ei zu suchen? Wofür stehen die ruinenartigen Mauerreste und verkohlten Bäume? Was will Ihnen die begehbare Spirale sagen? Die spannenden Antworten auf diese Fragen erwarten Sie auf dem Dietzenbacher Geschichtspfad!
Los geht`s im Zeittunnel
Von der Ober-Rodener Straße aus überschreiten die Interessierten die ”Zeitschwelle”, eine auf der Brücke über den Gehrengraben eingelassene Granitplatte mit der Jahreszahl 2000 und gelangt durch einen ”Zeittunnel”, einen berankten Gang aus lackierten Metallbögen, in Dietzenbachs Vergangenheit.
1970 - Verleihung der Stadtrechte
(symbolisiert durch Würfel mit Fachwerk für das dörfliche Dietzenbach und ”unfertigen” Steinwürfel für das in der Entwicklung befindliche städtische Dietzenbach; Steinwürfel mit leicht überdimensionierten Applikationen, die auf eine Baustelle verweisen - Maurerkelle, Zollstock, Thermoskanne)
Die dörflich geprägte Gemeinde Dietzenbach erlebte nach dem 2. Weltkrieg eine rasante Siedlungs- und Bevölkerungsentwicklung: Zählte der Ort 1950 noch rund 4.700 Einwohner, so wurde im Jahre 1967 bereits die 10.000-Einwohner-Marke überschritten. 1970 - im Jahre der Stadtwerdung - war die Bevölkerung auf rund 13.000 Personen angewachsen.
1971 wurde Dietzenbach als ”Siedlungsschwerpunkt” ausgewiesen und im Januar 1973 durch Rechtsverordnung der Hessischen Landesregierung als erste Stadt in Hessen zum ”Entwicklungsbereich” erklärt. Die Folge davon war eine rege Bautätigkeit – Dietzenbach und der Ortsteil Steinberg wuchsen zusammen und ein neues Stadtzentrum entstand.
Zur Jahrtausendwende leben in Dietzenbach rund 34.000 Menschen, davon stammt fast ein Drittel aus 110 verschiedenen Nationen.
1933 - 1945 - Ende des Nazi-Regimes und demokratischer Neubeginn
(dargestellt durch eine spiralförmig aufsteigende Klinkermauer; dazwischen Ziegelgrus und fein zerriebener Bauschutt; gekrönt von einer Sitzbank aus geschliffenem Kunststein in Nierentisch-Form)
Unter der Herrschaft der Nazis wurde die zwanzigköpfige jüdische Gemeinde Dietzenbachs vertrieben und teilweise umgebracht, mehrere Dietzenbacher fielen der politischen Verfolgung und der sogenannten ”Euthanasie” zum Opfer. Der Zweite Weltkrieg forderte insgesamt 249 Menschenleben von der Dietzenbacher Bevölkerung.
Nach dem Zusammenbruch 1945 mußte die Gemeinde mehr als 750 Flüchtlinge und Vertriebene aufnehmen. Die dadurch verursachte große Wohnungsnot drängte die Gemeinde zu einer regen Bautätigkeit: 1946 bis 1948 entstand die Siedlung ”Am Hinterwald”, 1950 wurde mit der Siedlung an der Spessartstraße in Steinberg begonnen, 1952/53 wurde eine ”Nebenerwerbssiedlung” rechts der Frankfurter Straße errichtet.
1898 - Eisenbahnanschluss
(symbolisiert durch Bahngleise auf Schotterbett, eine Klangskulptur läßt die Lokomotive pfeifen)
Mit der Eröffnung der 9,6 km langen Bahnlinie Offenbach/Bieber-Heusenstamm-Dietzenbach brach für die Gemeinde ein neues Zeitalter an.
Die zahlreichen Dietzenbacher Fabrikarbeiter und Bauhandwerker konnten nun täglich bequem zu ihren Arbeitsplätzen in Offenbach und Frankfurt pendeln, die Landwirte konnten ihre Produkte jetzt schneller zu den Märkten der Großstädte transportieren. Im Juni 1982 wurde der Personenverkehr auf der Regionalbahnline R 10 eingestellt, einige Jahre später dann auch die Expressgut- und Bahngepäckabfertigung im Bahnhof Dietzenbach.
Nach jahrzehntelangem Ringen wird Dietzenbach im Jahre 2003 einen S-Bahn-Anschluß nach Offenbach bekommen.
1846-1847 - Hungersnot und Auswanderungswelle nach Nordamerika
(versinnbildlicht durch ein karges Getreidefeld, eingefaßt mit einer bröckelige Feldsteinmauer)
Bereits in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts wurde auch Dietzenbach von der Auswanderungswelle nach Übersee erfaßt. Blieb es zunächst noch bei Einzelfällen, so kam es im Gefolge der Not- und Hungerjahre 1846/47 zu einer regelrechten Massenauswanderung nach Nordamerika – 33 Familien verließen Dietzenbach, um in der ”Neuen Welt” ihr Glück zu machen.
Insgesamt wanderten im 19. Jahrhundert mehr als 500 Menschen aus Dietzenbach nach Übersee aus (laut Kirchenbuch 481 in die USA, 21 nach Australien und zwei nach Brasilien). Die Bevölkerung Dietzenbachs wurde deutlich reduziert – so sank die Einwohnerzahl von 1.494 im Jahre 1843 auf 1.333 Personen im Jahre 1858.
1618 - 1648 - Verwüstung Dietzenbachs im Dreißigjährigen Krieg
(dargestellt durch ruinenartige Mauerreste, verkohlte Bäume und ”tote Erde”)
Die Geißeln des Dreißigjährigen Krieges – Seuchen, Hungersnot und die marodierende Soldateska – suchten auch das seit 1545 evangelische Dietzenbach heim. Zwei Pestepidemien in den Jahren 1622 und 1625 rafften einen Großteil der Bevölkerung hin, die Hungersnot tat ein übriges. 1634 wurden die überlebenden Dietzenbacher von den Schweden vertrieben. Das Dorf brannte zum größten Teil ab und blieb mehrere Jahre unbewohnt.
1641 kehrte ein kleines Häuflein Dietzenbacher zurück – die ehemals stattliche Einwohnerzahl von 350 bis 400 Seelen hatte sich auf ein Sechstel reduziert, und es vergingen viele Jahrzehnte, bis die Gemeinde ihre Bevölkerungsverluste wieder ausgeglichen hatte.
1220 - Die erste Erwähnung
(symbolisiert durch ein aufplatzendes Ei; zum Vorschein kommt die für Dietzenbach bedeutsame Passage des lateinischen Urkundentextes (...item in dicenbah...), davor eine Sitzmauer in Main-Sandstein)
Die erste Erwähnung Dietzenbachs stammt aus der Zeit um 1220 n. Chr.: In einem Güterverzeichnis des Klosters Patershausen ist vermerkt, daß Pfarrer Luphridus von Preungesheim seine Güter, darunter einen Hof in ”Dicenbah”, dem Kloster vermacht. ”Item in dicenbah...”
Dietzenbach bestand aber schon viel länger und ist wahrscheinlich eine Gründung der 2. Merovingischen Siedlungsperiode (6./7. Jh. n. Chr.), worauf u.a. die Endsilbe ”-bach” im Ortsnamen hindeutet. Während des Mittelalters existierten auf dem Gebiet der Dietzenbacher Gemarkung noch weitere Ansiedlungen: Ippingshausen und Hartcheshofen im Süden und Richolfshausen wahrscheinlich im Norden. Diese Dörfer wurden von ihren Bewohner jedoch wieder aufgegeben (Wüstungen).
Geschichte des Dietzenbacher Weinbaus
(dargestellt durch einen kleinen Hügel mit Weinreben)
Dass der Weinanbau in Dietzenbach eine lange Tradition hat, zeigen unter anderem die Weintrauben, die als ein prägendes Element das Dietzenbacher Stadtwappen zieren.
Bereits seit dem Mittelalter bis voraussichtlich ins 18. Jahrhundert gedeihten auf dem Wingertsberg die Rebstöcke. Zum vorübergehenden Niedergang des Weinbaus in der heutigen Kreisstadt sollen maßgeblich die Verwüstungen durch die Soldaten des Darmstädter Landgrafen Ludwig IX beigetragen haben. Andere Quellen berichten davon, dass spätestens die Verbreitung der Reblaus im 19. Jahrhundert dafür gesorgt hat, den hiesigen Weinanbau zum Erliegen zu bringen. Aber auch die zunehmende Konkurrenz durch Apfelwein und Bier wird als ein weiterer Grund für diese Entwicklung angegeben.
Die Tradition des Weinbaus wurde dann erst wieder Mitte des 20. Jahrhunderts neu belebt. Im Jahr 1964 wurden mit Unterstützung von Fachleuten der Hessischen Weinbauschule Eltville die ersten 180 Rebstöcke auf dem Wingertsberg angepflanzt. Inzwischen stehen auf der Südseite rund 400 Weinreben der Sorte „Grauer Burgunder“, aus deren Beeren je nach Saison jährlich etwa 150 Liter Wein gekeltert werden. Obwohl Dietzenbach aus geografischer Sicht nicht mehr zum Odenwald zählt, gehört der Weinberg dennoch zum Weinanbaugebiet Hessische Bergstraße. Der Weinberg ist übrigens die kleinste Weinlage Deutschlands.
Dietzenbach in vor- und frühgeschichtlicher Zeit
(dargestellt durch aus der Erde ragende überdimensionierte ”Urnen” und schwere Steinplatten)
Bereits in prähistorischer Zeit war das Gebiet der Dietzenbacher Gemarkung von Menschen besiedelt. Im Jahre 1990 konnte durch archäologische Grabungen im Bereich des neuen Stadtzentrums eine etwa 8.000 Jahre alte Siedlung aus der Jungsteinzeit nachgewiesen werden. Seither dürfte die Dietzenbacher Gemarkung durchgängig besiedelt gewesen sein, wie zahlreiche Funde aus der Bronzezeit (Urnenfelderkultur), Eisenzeit (La-Tène) und der Römerzeit belegen.
Hier an der ”Russenhütte” wurde eine große Zahl von Brandgräbern aus der späten Bronze- und frühen Eisenzeit (ca. 1.000 v. Chr.) ausgegraben. Die damaligen Bewohner bestatteten die Asche ihrer Toten in tönernen Urnen und überdeckten sie mit schweren Steinplatten.
Die "Russenhütte"
(Endpunkt, als Rastplatz gestaltet mit einer Einfassung durch Klinkermauern und Sitzbänken)
Hier an der ”Russenhütte” wurde eine große Zahl von Brandgräbern aus der späten Bronze- und frühen Eisenzeit (ca. 1.000 v. Chr.) ausgegraben. Die damaligen Bewohner bestatteten die Asche ihrer Toten in tönernen Urnen und überdeckten sie mit schweren Steinplatten.
Der Name dieses Areals rührt von einer ehemaligen Ziegelei her. Hier wurden im offenen Feldbrand Ziegel hergestellt, vom Volksmund wegen ihrer schlechten Qualität als ”Russen” bezeichnet. In unmittelbarer Nähe wurden bedeutende archäologische Funde gemacht. Bei mehreren Grabungen wurden seit 1960 Gräber aus verschiedenen vorgeschichtlichen Epochen entdeckt. Die Feldholzinsel und der Dünenrücken sind heute als ”Geschützter Landschaftsbestandteil Russenhütte” ausgewiesen.
Wann, warum und wie ist der Geschichtspfad entstanden?
Die Entstehung der begehbaren Zeitachse geht auf das Jahr 2000 zurück. Von Juni bis Dezember wurde der Geschichtspfad sowie die vorgelagerte "Balanciermeile" angelegt.
Später folgten in der Nähe des Areals weitere Freizeitbereiche wie der Skatepark sowie ein Bolzplatz.
Das Gelände südöstlich von Dietzenbach verbindet die Historie und Tradition mit sportlichen Freizeitmöglichkeiten für Familien, Jugendliche und Kinder.
Die Entstehung
Das heutige Dietzenbach ist kein über Jahrhunderte organisch gewachsenes Gemeinwesen.
Das einstige ”Dorf im Wiesengrund” hat in den letzten fünfzig Jahren eine rasante Siedlungsentwicklung durchgemacht und ist heute eine dynamische – und immer noch wachsende - Kleinstadt mit über 34.000 Einwohnern. Davon ist die große Mehrheit aus allen Teilen Deutschlands hierher gezogen, und fast ein Drittel der Bevölkerung stammt aus mehr als 100 verschiedenen Nationen. Das bedeutet aber auch, dass die alteingesessenen Familien, die in Dietzenbach ihre verwandtschaftlichen und geschichtlichen Wurzeln haben, nur noch einen kleinen Bruchteil der hier lebenden Menschen ausmachen.
Und bei den vielen tausend Berufspendlern, die Dietzenbach tagtäglich durchqueren und die kaum mehr als die Hochhaus-Silhouette und die überlasteten Durchgangsstraßen kennen, dürfte die Meinung vorherrschen, Dietzenbach sei eine Stadt aus der Retorte – gesichts- und geschichtslos.
Der Geschichtspfad will das genaue Gegenteil deutlich machen und zeigen, dass die Dietzenbacher Gemarkung seit Jahrtausenden beliebter Siedlungsplatz für Menschen aller Epochen war und dass die Stadt eine bewegte und durchaus interessante Vergangenheit hinter sich hat, die es zu erkunden lohnt.
Dazu trägt auch der Standort der parkartig gestalteten Anlage bei: In unmittelbarer Nachbarschaft der archäologischen Grabungsstätte ”Russenhütte”, in der zahlreiche Brandgräber aus der späten Bronze- und frühen Eisenzeit (ca. 1.000 v. Chr.) gefunden wurden, kann sich der Besucher auf eine ”Zeitreise” durch Dietzenbachs Geschichte begeben.
Der Geschichtspfad sowie die vorgelagerte ”Balanciermeile” wurden von Juni bis Dezember 2000 angelegt. Die Balanciermeile entlang eines stillgelegten Teilstücks der früheren Bundesstraße B 459 ist eine Freizeiteinrichtung mit Balancierbalken, Holzblöcken, Trittsteinen usw., die Jung und Alt zum Geschicklichkeitstraining einladen sollen. Ein weiteres spektakuläres Projekt im Rahmen des UVF-Regionalparks* ist der Aussichtsturm auf dem Wingertsberg.
Im August 2021 erfolgte eine vom Regionalpark Ballungsraum RheinMain GmbH geförderte Renovierung und Instandsetzung. Zeitgleich wurde der Geschichtspfad um eine neue Station, die Geschichte des Weinbaus, erweitert.
Impressionen aus dem Entstehungsjahr 2000
* 2002 Neuorganisation und Umbenennung in Planungsverband Ballungsraum Frankfurt/Rhein-MainLeicht zu finden