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Anschlag in Hanau vom 19. Februar jährt sich

Miteinander solidarisch - in Gedenken an die Opfer 

Am 19. Februar des vergangenen Jahres erschütterte der rassistische Terroranschlag in Hanau die Gesellschaft, bei dem neun junge Menschen brutal aus dem Leben gerissen wurden.

Die Anteilnahme in Dietzenbach ist groß. Rund 300 Menschen waren am darauffolgenden Abend auf den Europaplatz vor dem Rathaus gekommen, um der Opfer des Anschlags in Hanau zu gedenken. Unter den Opfern ist auch der Dietzenbacher Sedat Gürbüz. Er war Besitzer einer Shishabar, dem ersten Tatort des Anschlags.

Am Tag seiner Ermordung war er gerade einmal 30 Jahre jung. Er ist in Dietzenbach aufgewachsen, wo seine Familie weiterhin lebt. Die Taten wühlten in Deutschland und besonders in Hanau und Dietzenbach die Menschen auf. Die Taten brachten eine Art Schockstarre mit sich, die sich jedoch schnell in Engagement und gegenseitige Solidarität wandelte.

"klares Zeichen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit"

Im vergangenen Jahr haben sich die Partnerschaft für Demokratie, der Ausländerbeirat und der Magistrat der Kreisstadt Dietzenbach in enger Absprache mit der Familie seit dem 19. Februar für ein öffentliches Andenken an Sedat Gürbüz und die anderen acht Opfer, Ferhat Unvar, Mercedes Kierpacz, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Kaloyan Velkov, Vili Viorel Păun, Said Nesar Hashemi und Fatih Saraçoğlu, eingesetzt

Seit dem Sommer letzten Jahres hat sich die „AG 19. Februar“ in Dietzenbach gegründet, um das Gedenken zu begleiten, zu planen und zu unterstützen. Der AG gehören Aktive aus der Zivilgesellschaft an und sie wird von der Partnerschaft für Demokratie der Kreisstadt Dietzenbach geleitet. Auch Emis Gürbüz, die Mutter des Dietzenbacher Opfers, ist dort vertreten.

„Um die Erinnerung wach zu halten und gegen Rassismus in allen Formen zu kämpfen, wird es auch im Jahr 2021 eine Reihe von Aktivitäten geben“, kündigt Dietzenbachs Bürgermeister Jürgen Rogg an. Er zeigt sich sehr dankbar, dass viele Menschen ein klares Zeichen gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit setzen und sich stark engagieren. „Dietzenbach hält zusammen“, so Rogg.

Es geht dabei sowohl um das öffentliche Gedenken als auch um die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit Rassismus. Gefördert werden diese Aktionen auch im Rahmen des Bundesförderprogramms „Demokratie leben!“

"In unserer Stadt hat Fremdenfeindlichkeit keinen Platz"

Zentraler Baustein ist zunächst der Jahrestag des Anschlags am 19. Februar 2021. Aufgrund der aktuellen Pandemielage ist die Planung einer größeren öffentlichen Veranstaltung nicht möglich. „Falls die Corona-Einschränkungen dies zulassen, werden wir kurzfristig agieren“, heißt es seitens der „AG 19. Februar“.

Dennoch werden sich der Magistrat der Kreisstadt Dietzenbach, der Ausländerbeirat und die Stadtverordnetenversammlung öffentlich und sichtbar gegen Gewalt und Extremismus positionieren. Sie zeigen, dass man sich für die Demokratieförderung einsetzt und Verantwortung übernimmt. „In unserer Stadt haben Rassismus, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz. Jeder Mensch hat die gleichen Rechte, aber auch Pflichten“, stellt die Stadtverordnetenvorsteherin Christel Germer klar. 

Konkret startete am 5. Februar eine umfangreiche Plakatkampagne in Erinnerung an die Anschlagsopfer: Seit dem 4. Februar stellt die Kreisstadt Plakat- und Bannerflächen zur Verfügung, auf denen Porträts der Opfer zu sehen sind. In den kommenden Wochen werden auch Akteure der Zivilgesellschaft und Wirtschaft einbezogen, um die Botschaft so weit wie nur möglich zu verbreiten. Vereine,  Netzwerkpartner*innen, Institutionen, Religionsgemeinden können das entsprechende Plakat in ihren Räumlichkeiten aufhängen, um ihre Anteilnahme zu zeigen und ein klares Statement gegen Menschenfeindlichkeit setzen.

Die Plakate können bei der Partnerschaft für Demokratie angefordert werden. Weitere Informationen hierzu erhalten Interessierte via E-Mail unter christoph.wenz@awo-of-land.de oder telefonisch unter 06074-4828815.  Diese Aktion soll auch fotografisch dokumentiert werden, um Öffentlichkeit zu schaffen. Um die Reichweite zu erhöhen, werden die Motive natürlich auch digital verbreitet, jeweils verbunden mit dem bereits etablierten und verbindenden Hashtag #saytheirnames.

"Die Opfer waren keine Fremden"

Der Hintergrund ist klar. Rassistische oder antisemitische Hass-Verbrechen wie in  Hanau richten sich gegen unsere offene und vielfältige Gesellschaft. Die Täter greifen die Opfer stellvertretend für all das an, was die Demokratie ausmacht. „Dem rassistischen Hass müssen wir Menschlichkeit entgegenhalten. Wir müssen den Opfern zeigen, dass sie zu uns, zu unserer Gesellschaft gehören. Die Opfer waren keine Fremden“, sagt Erster Stadtrat Dr. Dieter Lang.

Dazu braucht es verschiedene Formen und Ebenen des Gedenkens und der Aufarbeitung. Es soll unter anderem Schul- und Filmvorführungsprojekte geben. Als dauerhaftes, öffentliches Mahnmal gegen rassistische Gewalt wird auf Initiative des Ausländerbeirats eine Gedenkstele in der Dietzenbacher Altstadt entstehen. Die Entscheidung zu einem Kunstwerk und Mahnmal zugleich wurde in der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Es ist derzeit in der Realisierung und soll bis Mitte des Jahres stehen.

Helga Giardino, Vorsitzende des Ausländerbeirates: „Wir, der Ausländerbeirat, sind immer noch betroffen über das Geschehen vor einem Jahr in Hanau. Wir sind betroffen darüber, welche Folgen Hass und Rassismus für unser Zusammenleben haben. Sedat Gürbüz war ein Teil unserer Stadtgesellschaft, Nachbar, Schulkamerad und Freund. Ein Jahr ist die schreckliche Tat her und doch gibt es keinen Tag, an dem wir nicht an die grausame Tat erinnert werden. Und es gibt keinen Tag, an dem wir nicht an Sedat Gürbüz und die Opfer dieser Tat denken.“

08.02.2021