Freude über Fördermittel
Gleich zweimal 10.000 Euro für Dietzenbach
Im Rahmen des Sonderförderprogramms des Hessischen Ministerium für Soziales und Integration „Wir für unser Quartier – junge Menschen beteiligen sich in ihren Lebensräumen“ bewarb sich die Kreisstadt Dietzenbach mit den Quartieren „Wohngebiet Süd-Ost“ und „Östliches Spessartviertel“ um die Fördermittel von jeweils 10.000 Euro. Und bekam für beide Standorte den Zuschlag.
Wohngebiet Süd-Ost
Für den Standort Süd-Ost konnte die Koordinierungsstelle Gemeinwesenarbeit im ersten Schritt einen Beteiligungsworkshop unter dem Motto „Ihr für euer Quartier“ im Haus der Integration durchführen. 20 Jugendliche und junge Erwachsene – vorwiegend Teilnehmende des im Viertel beheimateten Boxprojekts - hatten einen Nachmittag lang die Möglichkeit, ihre Wünsche und Anregungen für das Quartier einzubringen und sich anschließend für ein gemeinsames Beteiligungsprojekt zu entscheiden.
Anhand eines großen Planbanners des Quartiers markierten die Jugendlichen problematische Stellen, machten Verbesserungsvorschläge und erkundeten dann mit Hilfe einer Actionbound – einer digitalen Schnitzeljagd – in Kleingruppen das Viertel zwischen Haus der Integration und der „Richter Wohnanlage“. Was findet ihr gut? Welche Plätze meidet ihr? Was wünscht ihr euch von eurem Wohnumfeld? Das waren die Fragestellungen, die anschließend im Plenum diskutiert wurden.
Müll, Vandalismus und fehlende Aufenthaltsräume waren die dringendsten Themen für die Teilnehmenden sowie die Erweiterung der Spielmöglichkeiten in „ihrem Boxprojekt.“ Nummer eins dabei: ein Multifunktionaler Spieltisch – Billiard und Tischtennis sollten möglich sein.
Nun gilt es, im folgenden Beteiligungsprojekt die Ideen umzusetzen: die Jugendlichen wollen mit gutem Beispiel vorangehen und mit einer „Aktion sauberer Spielplatz“ starten. Sie sammeln gemeinsam den Müll auf dem Spielplatz an der Messenhäuser Straße und versuchen, andere Jugendliche und Erwachsene für die Problematik zu sensibilisieren.
Um ihrem Wunsch nach einem Multifunktionstisch näher zu kommen, planen die Jugendlichen ein gemeinsames Fest mit „Flohmarktcharakter“ im Herbst. Hierzu laden sie alle Bewohnerinnen und Bewohner ein, einander kennen zu lernen und miteinander ins Gespräch zu kommen. Sie wollen dann auch gebrauchte Sachen gegen eine Spende abgeben und den Erlös für die Anschaffung eines „Billiard+-Tisches“ nutzen.
Margot Acht von der Koordinierungsstelle Gemeinwesenarbeit Süd-Ost, ist begeistert von dem Engagement der Jugendlichen: „Ich finde es klasse, dass sie aktiv etwas tun wollen. Sei es mit der Müllsammelaktion auf dem Spielplatz, aber auch durch das gemeinsame Fest, bei dem sie sich einbringen.“ Zudem ist das ein Projekt, das bis Ende des Jahres umgesetzt werden soll. So erleben sie, dass es sich lohnt, Ideen einzubringen und diese auch ernst genommen werden.
Östliches Spessartviertel
Das sogenannte „Innenohr“ ist eine 4.000 m2 große, weitgehend ungenutzte Grünfläche im Östlichen Spessartviertel. Um das Potenzial der Wiese besser zu nutzen, organisieren Quartiersmanagement und Streetwork im Bildungshaus ein Projekt zur Jugendbeteiligung. Das Ziel ist, jugendliches Engagement im und für das Quartier zu wecken.
Seit vielen Jahren schon ist das „Innenohr“ ein Politikum. Ansätze, die Wiese zu beleben und damit die Umgebung im Östlichen Spessartviertel lebenswerter zu machen, sind bislang gescheitert. Das soll sich jetzt ändern.
Der erste Schritt, um die Wünsche und kreativen Ideen der Jugendlichen hervorzubringen, war ein Beteiligungsworkshop am 13. Mai.
Es nahmen 17 Kinder und Jugendliche teil – 4 Mädchen und 13 Jungen. Ihre Familien kommen unter anderem aus Marokko, Spanien, der Türkei, Rumänien und Albanien und das Durchschnittsalter lag bei 13 Jahren.
Die Diskussionen über die Nutzungsmöglichkeiten der Wiese waren sehr angeregt. Ein Junge argumentierte, dass die Wiese bisher nur eine Hundetoilette sei und unbedingt besser genutzt werden müsse. Ein anderer Junge sagte uns: „So etwas müsste es öfter geben!“ In einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe fragte ein Junge schon drei Tage nach dem Workshop: „Wann sollen wir das nächste Mal kommen?“ Als die Quartiersmanagerin, Madina Musafer, auf ein Treffen erst in einem Monat vertrösten musste, schrieb ein anderer Junge: „Warum ist das so selten?“ Das jugendliche Engagement war insgesamt bemerkenswert und kaum zu bremsen. Aber auch Zukunftsängste und geringe Selbstwirksamkeitserwartungen, die für Kinder in prekären Lebenslagen typisch sind und durch die Pandemie verstärkt wurden, waren zu spüren. Ein Junge sagte: „Da wird doch eh nichts draus. Wir reden die ganze Zeit nur, aber es passiert nichts.“ Ein anderer Junge gab zu bedenken: „Es ist doch egal, was da hingebaut wird. Es wird sowieso kaputtgehen, wegen 3. Weltkrieg.“
Die Abstimmung unter den Kindern und Jugendlichen ergab, dass der Wunsch nach einem Fußballplatz am größten ist. Aber es gab auch Kritik an diesem Vorschlag: Ein Mädchen wandte ein, dass ein Fußballplatz nichts für Mädchen bringe. Sie schlug stattdessen eine Tischtennisplatte vor, auf der man ja auch mit einem Fußball spielen könne. Ihr entgegnete ein Junge, dass die Mädchen auch gerne mit den Jungen Fußball spielen könnten. Allerdings ist es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, auf der brachliegenden Wiese im Quartier einen Fußballplatz zu errichten, um die Anwohner vor Lärm zu schützen. Auch das ist eine Lernerfahrung für die Jugendlichen in unserem Rechtsstaat. Manchmal gibt es konkurrierende Interessen und es ist nur die Zweit- oder Drittpräferenz im Rahmen des Möglichen.
Statt einem Fußballplatz soll eine „Teqball-Platte“, eine moderne Art von Tischtennisplatte, der erste Schritt sein, die Wiese im Interesse der Jugendlichen zu beleben. Teqball ist eine 2015 erfundene Sportart, die Spielelemente von Tischtennis, Fußball und Volleyball kombiniert. Durch die Kombination von Fußball und Tischtennis erfüllt die Teqball-Platte die Drittpräferenz der Jugendlichen (Tischtennis) und wird auch der Erstpräferenz (Fußball) ein Stück weit gerecht.
René Bacher, Erster Stadtrat und Sozialdezernent, unterstützt das Vorhaben mit der Argumentation: „Im Vergleich zu anderen Stadtvierteln in Dietzenbach sind die öffentlichen Spielflächen im Spessartviertel so gut wie nicht vorhanden – obwohl es der kinderreichste Stadtteil ist. Es ist gut, dass Jugendliche sich für das Viertel einsetzen. Die Ängste, dass nichts umgesetzt wird, kann ich gut nachvollziehen, so sind Ideen aus eigenen früheren Projekten, die ich begleitet habe, nicht auf fruchtbaren Boden gestoßen. Das hat sich zum Glück geändert.“ Auch Bürgermeister Dieter Lang spricht sich für das Projekt aus: „Wichtig ist, dass mit der Teqball-Platte jetzt ein Anfang für die Wiese entstehe, damit Jugendliche merken, dass Sie etwas bewirken können, um einen Ort in ihrem Quartier nach ihren Bedürfnissen zur sportlichen Betätigung zu gestalten“.
Für einen weiteren Meilenstein auf dem Weg, das „Innenohr“ zur attraktiven Freizeitfläche für die ganze Familie zu entwickeln sorgte der Antrag des Jugendbeirates. Am 18. Juli 2022 wurde der Antrag zum regelmäßigen Mähen der Wiesenfläche „Innenohr“ von den Stadtverordneten genehmigt. Auch an der Erstellung der Projektkonzeptionen hat die Jugendbeteiligung, unterstützt durch die hauptamtliche Mitarbeiterin Frau Dr. Lisa Öz, tatkräftig unterstützt.
„Dies sind wichtige Signale, denn wir sind in der Beweispflicht, dass wir es mit der Jugendbeteiligung wirklich erst meinen“, bemerkt Frau Möller, Leiterin des Bildungshauses.